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Kanon der Sonnenfinsternisse von 2501 v. Chr. bis 1000 n. Chr.


Die historische Chronologie basiert auf einem engen Zusammenspiel zwischen theoretischer Astronomie und historischen Begebenheiten. Der Nutzen der Astronomie für die Chronologie besteht darin, astronomische Erscheinungen, von denen in historischen Quellen die Rede ist, rechnerisch absolut zu fixieren. Wichtig sind dabei vor allem Sonnen- und Mondfinsternisse, Neumond- bzw. Altmondsichtungen, sowie Beobachtungen der Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn.

Wegen ihres seltenen Vorkommens an einem bestimmten Ort auf der Erde, haben Sonnenfinsternisse das grösste Potential, ein historisches Ereignis auf den Tag genau datieren zu können, wenn eine totale oder beträchtliche Bedeckung der Sonne durch den Mond schriftlich überliefert ist. Merkmale für eine beträchtliche bzw. totale Verfinsterung der Sonne sind:

  1. Während einer totalen Sonnenfinsternis ändert sich die Helligkeit des Himmels drastisch, jedoch nicht gleichmässig. Der Tag kann fast zur Nacht werden. Die Helligkeitsänderung empfindet man kurz vor und nach dem Maximum der Finsternis am stärksten.
  2. In der Nähe der verfinsterten Sonne können die hellsten Fixsterne und Planeten sichtbar werden.
  3. Schatten werden konturreicher. Auf dem Boden lassen sich dank des Lochblendeneffekts in der Nähe von Bäumern und Sträuchern Abbildungen der Sonnensichel beobachten.
  4. Die Temperatur fällt bei einer totalen Sonnenfinsternis ab. Die Vögel verstummen, Blüten schliessen ihre Blätter, tagaktive Tiere ziehen sich zurück und nachtaktive Tiere werden aktiv.
  5. Beim Anfang und beim Ende der totalen Phase kann für kurze Zeit der so genannte Perlschnureffekt beobachtet werden: die letzten beziehungsweise die ersten Sonnenstrahlen scheinen durch die Täler der gebirgigen Mond-Silhouette und verursachen den Eindruck einer Perlschnur.
  6. Währen der totalen Bedeckung leuchtet die Sonnenkorona um die dunkle Mondscheibe.

In den historischen Quellen bis 1000 n. Chr. sind nur die Punkte 1) und 2) erwähnt. Bei 2) sei sogleich darauf hingewiesen, dass antike Autoren oftmals schreiben, dass Sterne sichtbar wurden, obwohl die heutigen Berechnungen zeigen, dass dies völlig unmöglich war. Die Angabe dass der Tag zur Nacht wurde ist daher ein zuverlässigerer Hinweis dafür, dass es sich bei der beschriebenen Sonnenfinsternis um eine totale am angegebenen Ort handelt. Die Phrase der Sichtbarkeit von Sternen bei Sonnenfinsternissen sollte eher als Standardfloskel zur Steigerung der Dramatik verstanden werden. Auffallend ist, dass Sonnen- und Mondfinsternisse oft gleichzeitig mit Erdbeben und den erfolgten Zerstörungen, Kometen und anderen Ereignissen, die man als negative Omina ansah, erwähnte - selbst zu Zeiten, als man über die Ursache der Finsternisse längst Bescheid wusste.

Im Durchschnitt tritt an einem bestimmten Ort auf der Erde alle 375 Jahre eine totale Sonnenfinsternis ein, zählt man die ringförmigen Sonnenfinsternisse dazu, so erhält man einen Durchschnittswert von etwa alle 140 Jahre [1].



Geometrie und Kenngrössen einer Sonnenfinsternis

Eine Sonnenfinsternis entsteht, wenn von der Erde aus gesehen die Sonne vom Mond ganz oder teilweise bedeckt wird. Das kann nur geschehen, wenn Sonne, Erde und Mond in einer Linie stehen.

soleccause

Da die Mondbahn gegen die Sonnenbahn geneigt ist, kann dieser Fall nur eintreten, wenn sich der Mond in der Nähe der so genannten Mondknoten befindet. Dies ist im Schnitt nach jedem sechsten Neumond der Fall, manchmal auch schon nach dem fünften. Da aufgrund der elliptischen Umlaufbahnen der Erde und des Mondes die Abstände zwischen den Himmelskörpern schwanken und daher auch die scheinbaren Durchmesser des Mondes und der Sonne variieren, sind unterschiedliche Arten von Sonnenfinsternissen möglich. Finsternisse, bei denen die Achse des Mondschattens die Erde kreuzt, bezeichnet man als zentrale Finsternisse. Bei diesen werden drei Arten unterschieden:

  1. Totale Sonnenfinsternis (T): Der scheinbare Durchmesser des Mondes ist grösser als der der Sonne und reicht somit aus, um die Sonne vollständig zu bedecken. Die Totalitätszone ist relativ schmal, im günstigsten Fall hat der Kernschatten einen Durchmesser von etwa 273 Kilometern.
  2. Ringförmige Sonnenfinsternis (R): Wenn der scheinbare Durchmesser der Sonne grösser ist als der des Mondes, bleibt der äussere Rand der Sonne sichtbar. Der Kernschatten des Mondes ist zu kurz, um die Erdoberfläche zu erreichen.
  3. Ringförmig-totale bzw. Hybride Sonnenfinsternis (RT): Bei einer ringförmig-totalen Sonnenfinsternis ist der Kernschatten des Mondes nur am Anfang und am Schluss oder manchmal auch nur an einem von beiden zu kurz, um die Erdoberfläche zu erreichen. In der Mitte seiner Bahn trifft der Kernschatten aber wegen der Kugelform der Erde deren Oberfläche. Eine derartige Sonnenfinsternis beginnt und endet somit meistens als ringförmige Finsternis. Dazwischen ist sie total. Der Durchmesser des Kernschattens ist sehr klein (ca. 20 Kilometer) und die Totalität dauert nur wenige Sekunden.

Eine Finsternis, bei der die Erde nur vom Halbschatten des Mondes getroffen wird, ist eine partielle Sonnenfinsternis (P). Solche Finsternisse treten hauptsächlich in den polaren Regionen der Erde auf, sie können aber auch im Mittelmeerraum noch zu Bedeckungen von 50%, manchmal auch bis 70% führen.

Da die Totalitätszonen relativ schmal sind, sind nur vergleichsweise wenige Menschen bei einer Sonnenfinsternis in der Lage, die vollständige Bedeckung der Sonne zu beobachten. Wesentlich breiter als der Kernschatten des Mondes ist der so genannte Halbschatten, der mehrere tausend Kilometer breit ist und ermöglicht, dass von mehr als einem Viertel der Erdoberfläche aus eine teilweise Verfinsterung der Sonne beobachtbar ist. Unglücklicherweise wird auch diese nur teilweise Bedeckung bei einer zentralen Finsternis als partielle Sonnenfinsternis bezeichnet.

Die wichtigste Kenngrösse einer Sonnenfinsternis für Altertumswissenschaftler ist der Bedeckungsgrad oder die Grösse bzw. Magnitude, mit denen das Ausmass der Bedeckung beschrieben wird.

  1. Als Bedeckungsgrad wird das Verhältnis zwischen der vom Mond bedeckten und der gesamten Fläche der Sonnenscheibe bezeichnet. Bei einer totalen Finsternis erreicht der Bedeckungsgrad innerhalb der Totalitätszone das Maximum von 100 %, bei einer ringförmigen bleibt der Wert etwas kleiner als 100%.
  2. Die Größe oder Magnitude ist bei einer partiellen Finsternis der Anteil des vom Mond bedeckten Sonnendurchmessers. Bei einer totalen oder ringförmigen Finsternis ist die Größe das Verhältnis zwischen Mond- und Sonnendurchmesser. Der Wert ist bei einer totalen Finsternis etwas größer als 1, bei einer ringförmigen knapp kleiner als 1.

Während des Verlaufs einer Finsternis nehmen Bedeckungsgrad und Größe langsam zu, erreichen Maximalwerte und nehmen wieder ab.



Berechnung von Sonnenfinsternissen

Die Berechnung wann und wo auf der Erde Sonnenfinsternisse beobachtbar sind, wird mit Hilfe der so genannten Bessel'schen Elemente ausgeführt. Die Methode wurde von Friedrich Wilhelm Bessel im Jahr 1842 entwickelt und erfuhr seither zahlreiche Verfeinerungen [2]. Die grundlegende Idee dabei ist, dass die Bessel'schen Elemente die Bewegung des Mondschattens auf der geeignet gewählten, sogenannten Fundamentalebene wiedergeben. Die Fundamentalebene geht durch den Erdmittelpunkt und steht senkrecht auf der Achse des Schattenkegels. Zur Beschreibung der Bewegung des Schattens in dieser Ebene ist die Angabe einiger weniger geometrischer Größen ausreichend; in einem weiteren Schritt werden daraus durch Projektion die Gegebenheiten auf der Erdoberfläche berechnet.

besselelemnts

Im oben abgebildeten System sind - wenn x, y, und z die Koordinaten des Zentrums des Mondes sind - die Koordinaten des Zentrums der Umbra in der Fundamentalebene x und y. Die Bessel'schen Elemente sind dann folgende Grössen:

Als Längeneinheit wird der Äquatorradius der Erde verwendet.

elements

Die Bessel'schen Elemente sind zeitabhängig; sie müssen daher für einen mehrere Stunden umfassenden Zeitraum angegeben werden. Es gibt mehrere Varianten der Veröffentlichung der Bessel'schen Elemente einer Sonnenfinsternis: entweder werden die Werte aller nicht als konstant anzusehenden Elemente in Zehn-Minuten-Intervallen für den gesamten Finsternisverlauf tabellarisch angegeben, sodass Zwischenwerte interpoliert werden können. Oder die Bessel'schen Elemente werden für eine Referenzzeit t0 angegeben und zusätzlich die stündlichen Änderungen der Elemente. Dies ermöglicht die Berechnung der Werte für andere Zeitpunkte des Finsternisverlaufs als lineare Funktion der Zeit. An Stelle einer linearen kann für grösserer Genauigkeit auch eine polynomiale Form gewählt werden. Terme bis 3. Ordnung gewährleisten genügende Genauigkeit für die meisten Zwecke.

Wenn man von der Sonne aus eine Sonnenfinsternis auf der Erdoberfläche verfolgen könnte, sähe man während einiger Stunden die grosse Penumbra des Mondes - grau in der folgenden Abbildung - und die viel kleinere Umbra - schwarz - über die Erde hinwegziehen:

solecgeo sichtbarkeit

Für alle Punkte auf der Kurve N-PN1-PS1-S auf der Erdkugel ist der Zeitpunkt des Sonnenaufgangs gekommen. Für alle Punkte auf dem N-S-Meridian ist es Mittag. Alle Punkte auf der Kurve N-PN2-PS2-S haben Sonnenuntergang. Projiziert man die Schnittpunkte auf eine geographische Karte der Erde, so haben die oben beschriebenen Regionen ovale Umrisse: PN1-P2-PS1-P1 bzw. PN2-P4-PS2-P3 in der Abbildung rechts.

ΔT und seine Unsicherheit

Für viele Jahrhunderte war die Rotationsperiode der Erde in Bezug auf die Sonne die fundamentale Zeiteinheit. Universalzeit (UT), auch Mittlere Greenwichzeit (GMT) genannt, basiert auf der mittleren Sonnenzeit in Greenwich. UT ist aber leider keine gleichförmige Zeitskala weil sich die Rotationsperiode der Erde im Laufe verlangsamt. Daher ist die Berechnung der lokalen Umstände von Sonnenfinsternissen für weit zurückliegende Zeiten mit gewissen Unsicherheiten belastet. Sehr wichtig für die langsamer werdende Erdrotation ist die so genannte Gezeitenreibung. Die Gezeiten entstehen durch die Gravitationswirkung von Mond und Sonne auf die Wasser- und Luftmassen der Erde. Das Wandern des Flutberges verbraucht - besonders in den engen Meeresstrassen - Rotationsenergie der Erde. Der Drehimpuls der Erde nimmt ebenfalls mit der Zeit ab. Dies hat eine Rückwirkung auf den Mond: Der Flutberg wird durch die Rotation mitgenommen und "beschleunigt" seinerseits den Mond. Dadurch wächst die Entfernung des Mondes und die Umlaufdauer des Mondes wird länger. Der Gesamtdrehimpuls des Systems Erde - Mond bleibt dabei erhalten. Heute werden für die Zeitmessung Atomuhren verwendet. Eine atomare Zeitskala ist die Terrestrische Dynamische Zeit (TDT). Sonnenfinsternisberechnungen basieren auf TDT, aber die Lage des Sichtbarkeitsgebietes der Finsternis auf der Erde hängt von UT ab. Daher müssen die Rechenergebnisse von TDT in UT umgerechnet werden. Dafür muss man die Zeitdifferenz zwischen TDT und UT kennen. Dieser Zeitunterschied, ΔT genannt, der sich auf ca. 12 Stunden im Jahr 2000 v. Chr. aufsummiert und die Unsicherheit desselben (2000 v. Chr. etwa 2 Stunden) muss in die Berechnungen eingehen. Für weitere Informationen bzgl. ΔT empfehle ich die Webseite von Robert van Gent.


Berechnungen in diesem Kanon

Für die Berechnung der Mond- und Sonnenpositionen im Zeitraum zwischen 2500 v. Chr. und 1000 n. Chr. wurden die DE406-Langzeit Ephemeriden des Jet Propulsion Laboratory gewählt, welche es erlauben, die Positionen der Sonne, des Mondes und aller Planeten zwischen 3001 v. Chr. und 3000 n. Chr. zu berechnen [3]. Für eine detailliertere Beschreibung der verwendeten Ephemeriden (in Englisch) siehe hier. Für ΔT wurden die polynomialen Ausdrücke von Espenak verwendet[4], für die Abschätzung der Unsicherheit dieser Werte die Formel von Huber [5]. Alle Berechnungen wurden für einen Wert der säkularen Gezeitenbeschleunigung des Mondes von -25.826 Bogensekunden/Jh2 ausgeführt, und die ΔT-Werte, die unter der Annahme eines Wertes von -26.0 Bogensekunden/Jh2 für die säkulare Gezeitenbeschleunigung abgeleitet wurden, wurden über einen kleinen Korrekturterm dementsprechend angepasst.


Jahr ΔT Unsicherheit (ΔT)
-3000 20h 31m ±2h 30m
-2500 16h 30m ±1h 42m
-2000 12h 54m ±1h 02m
-1500 9h 44m ±32m
-1000 7h 01m ±11m
-500 4h 45m ±7m
0 2h 35m ±5m
500 1h 55m ±2m20s
1000 26m 10s ±55s

Die Berechnung der Sonnenfinsternisse und der lokalen Umstände für bestimmte Orte erfolgte in drei Schritten.

  1. Zunächst wurden die Bessel'schen Elemente X0, Y0, M0, D0, L10, L20 und ihre stündlichen Änderungen X1, Y1, M1, D1, L11, L21 sowie tanF1 und tanF2, und der Zeitpunkt der maximalen Finsternis für alle im Zeitraum zwischen 2500 v. Chr. und 1000 n. Chr. auftretenden Sonnenfinsternisse für drei unterschiedliche ΔT-Werte berechnet und gespeichert: für ein mittleres ΔT, das sich aus den Formeln berechnen lässt, für ein unteres ΔT, welches dem mittleren ΔT minus der Unsicherheit des ΔT-Wertes entspricht, und für ein oberes ΔT, das dem mittleren ΔT plus der Unsicherheit des ΔT-Wertes entspricht.

    Beispiel: -2000
    mittleres ΔT: 12h 54m
    unteres ΔT:    mittleres ΔT - Unsicherheit = 12h 54m - 1h 02m = 11h 52m
    oberes ΔT:     mittleres ΔT + Unsicherheit = 12h 54m + 1h 02m = 13h 56m

    Da dieser Sonnenfinsterniskanon auf historische Finsternisse ausgelegt ist, werden die Bessel'schen Elemente für einen Referenzzeitpunkt t0 berechnet und die stündlichen Änderungen der Elemente angegeben. Diese lineare Form der Berechnung der Elemente ist gerechtfertigt, weil die Unsicherheit des ΔT-Wertes im betreffenden Zeitraum viel grösser ist als die Unterschiede, die eine polynomiale Form 3.Ordnung im Vergleich zur linearen Form bewirkt. Bessel'sche Elemente in polynomialer Form für alle Finsternisse zwischen 2000 v. Chr. und 3000 n. Chr. gerechnet für das mittlere ΔT und älteren Mond- und Sonnenephemeriden finden sich auf der NASA Eclipse Web Site.
  2. In einem zweiten Schritt wurden für die Orte Athen, Rom, Babylon, Memphis, Theben, Alexandria und Knossos sowie für die Orte mit den geographischen Koordinaten (20°N, 5°O), (20°N, 50°O), (50°N, 5°O) und (50°N, 50°O) alle diejenigen Sonnenfinsternisse ausgewählt, die bei mindestens einem der drei ΔT-Werte eine Magnitude von grösser oder gleich 0.5 erreichten. Für jeden dieser Orte wurden die Zeitpunkte des Beginns, des Maximums und des Endes der Sonnenfinsternis, die Magnitude, die Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangszeit, sowie die Positionswinkel und Sonnenhöhen berechnet. Eine Grenzgrösse von 0.5 wurde basierend auf den Angaben in Ginzel (1899) gewählt, der schreibt, dass eine unvorhergesagte Sonnenfinsternis erst dann bemerkt wird, wenn eine Magnitude von etwa 0.75 erreicht wird wenn die Sonne hoch am Himmel steht, bzw. wenn eine Magnitude von 0.5 erreicht wird für eine knapp über dem Horizont stehende Sonne [6].
  3. Im dritten Schritt wurden für die ausgewählten Sonnenfinsternisse die Kurven der Sichtbarkeit berechnet: die äusseren Punkte der Finsternis, die Aufgangs- und Untergangskurven sowie die Kurve "Maximum der Finsternis im Horizont" wurden anhand der Angaben in Seidelmann [7] berechnet, die Lage der Zentrallinie, der Totalitätszone und der Kurven gleicher Magnitude nach Mucke &Meeus [8].

Der vorliegende Kanon enthält alle Sonnenfinsternisse zwischen 2500 v. Chr. und 1000 n. Chr., die im geographischen Bereich zwischen (20°N, 5°O), (20°N, 50°O), (50°N, 5°O) und (50°N, 50°O) potenziell auffällig waren und somit für Identifikationen für Finsternisberichte aus diesem geographischen Bereich in Frage kommen, auch wenn sie nicht vorhergesagt wurden. Genaue Finsternisvorhersagen sind schriftlich erstmals ab etwa 300 v. Chr. in Babylon greifbar; ab dann finden sich Berichte, in denen auch Sonnenfinsternisse mit geringeren Magnituden als 0.5 überliefert sind. Deswegen werden in einer separaten Tabelle die Daten all derjenigen Sonnenfinsternisse aufgeführt, die im betrachteten geographischen Bereich zwar eine geringere Magnitude als 0.5 erreichten, aber dennoch schriftlich belegt sind.



Geschichte der Finsternisberechnungen

Im 19. Jh. erwachte im Bereich der Altertumswissenschaften das Interesse an astronomischen Fragestellungen. Mondbeobachtungen, Planetenbeobachtungen und Finsternisberichte wurden gefunden und waren chronologisch festzulegen. Für solche Aufgaben publizierte Ginzel 1899 einen Kanon der Finsternisse zwischen 900 v. Chr. und 600 n. Chr.[10]. Seine Arbeit blieb und ist heute noch immer wegweisend für alle späteren Werke über Finsternisse, die mit Hauptaugenmerk auf die chronologischen Zwecke von Finsternissen erstellt wurden. Ginzel hat in seinem Kanon Finsterniszitate antiker Autoren gesammelt und Identifikationen vorgeschlagen. Sein Werk enthält Karten für die Gebiete des klassischen Altertums, in denen für jedes Jahrhundert zwischen 900 v. Chr. und 600 n. Chr. die Totalitätszonen von Sonnenfinsternissen eingezeichnet sind.

Stephenson &Houlden haben 1986 einen Sonnenfinsterniskanon für Ostasien für den Zeitraum zwischen 1500 v. Chr. und 1900 n. Chr. herausgegeben [11]. Für die Berechnung der Mondposition wurden die J=2-Mondephemeriden der International Astronomical Union (1968) verwendet[12], allerdings angepasst an einen aktuelleren Wert für die Gezeitenbeschleunigung des Mondes von -26"/cy2. Der Atlas enthält Karten, in denen die Totalitätszonen eingezeichnet und für ausgewählte Längengrade die zugehörigen Breiten, die Lokalzeit und die Sonnenhöhe angegeben sind.

Der bislang letzte Finsterniskanon, der speziell auf die Bedürfnisse von Altertumswissenschaftlern ausgerichtet ist, wurde 2002 von Salvo de Meis publiziert[13]; sein Kanon enthält Berechnungen und Karten der Sichtbarkeitsgebiete für Sonnen- und Mondfinsternisse, die in Quellentexten überliefert sind, beginnend 763 v. Chr. und endend 1740 n. Chr. Für jede Finsternis werden dort das Zitat in englischer Übersetzung, die Zeiten und die Magnitude für den bzw. die Beobachtungsort(e) angegeben. Die Berechnungen im de Meis Kanon basieren auf den VSOP87[14] (für die Sonne) und ELP2000-Ephemeriden[15] (für den Mond) des Bureau des Longitudes in Paris.

Die überlieferten babylonischen Sonnen- und Mondfinsternisbeobachtungen bzw. -berechnungen wurden 2004 von Huber &de Meis publiziert[16]. Die Berechnungen der Ephemeriden beruhen auf Programmen, welche die Tabellen von Tuckerman[17] und Goldstine[18] verwenden. Huber inkludiert jedoch einige zusätzliche Störungsterme. Die Karten mit den Sichtbarkeitsgebieten für die Finsternisse wurden von S. de Meis angefertigt, basierend auf denselben Ephemeriden, die er auch in seinem Kanon[13] verwendet hat. Huber gibt zu jeder identifizierbaren Sonnenfinsternis das babylonische Datum, Universalzeit, Beginnzeit und dazugehörige Sonnehöhe, Zeitpunkt der maximalen Finsternis und dazugehörige Sonnenhöhe, Endzeit und Sonnenhöhe, die erreichte Magnitude, die Dauer einer allfälligen Totalität, sowie die Zeitpunkte des Sonnenauf- bzw. -untergangs an.

Abgesehen von Ginzel's Kanon enthalten die oben erwähnten Werke ausschliesslich Karten von Finsternissen, die schriftlich belegt sind. Der hier vorliegende, elektronische Kanon der Sonnenfinsternisse hingegen lehnt sich stark an den Ginzel'schen an. Der vorliegende Kanon enthält Karten aller Sonnenfinsternisse, die im Zeitraum zwischen 2500 v. Chr. und 1000 n. Chr. im ausgewählten geographischen Bereich potentiell auffällig waren, d.h. die eine Magnitude von mindestens 0.5 erreicht haben.

Der folgende Auszug aus den erstellten Tabellen soll den Aufbau des Kanons illustrieren:

ugarit

Für jede Sonnenfinsternis wird Folgendes angegeben:

Für die Orte Athen, Rom, Babylon, Memphis, Theben, Alexandria und Knossos folgen dann:

Ist eine Sonnenfinsternis schriftlich belegt, so folgt die Quellenangabe, die direkt anklickbar ist mit dem Zitat im Original (soweit möglich) und in englischer Übersetzung, z.B.:

zitate

Für die Sonnenfinsternisse ab etwa 100 n. Chr. wurde jeweils ein einziges Zitat ausgewählt, und zwar dasjenige, das am meisten Informationen über die Finsternis enthält, auch wenn mehrere Quellen die entsprechende Finsternis erwähnen. Sollten die Zitate nicht korrekt angezeigt werden oder die Datei nicht an der richtigen Stelle geöffnet werden (browserabhängig!), so können die beiden .pdf-Dateinen mit den Zitaten hier geladen und gespeichert werden: babfinst.pdf und eclipsecitations.pdf. Einen Katalog mit Finsterniszitaten, der unterschiedliche Quellen für einzelne Finsternisse berücksichtigt, hat Gorodezkii Michail Leonidovich zusammengestellt.

Für jede Sonnenfinsternis ist eine Karte für den geographischen Bereich zwischen (20°N, 5°O), (20°N, 50°O), (50°N, 5°O) und (50°N, 50°O) verfügbar. Ist eine Finsternis schriftlich belegt, so gibt es weitere Detailplots für die Gebiete Italien, Griechenland und Kleinasien, Ägypten und Vorderasien. Die Karten sind im Unterkapitel Sichtbarkeitsgebiet einer Sonnenfinsternis genau beschrieben.

Neben den hier erwähnten Publikationen über Sonnenfinsternisse, deren Hauptaugenmerk auf den historischen Finsternissen liegt, gibt es zahlreiche weitere rein astronomische Publikationen, deren Ziel die Auflistung aller irgendwo auf der Erde sichtbar gewesenen und sein werdenden Sonnenfinsternisse innerhalb eines bestimmten Zeitraums ist. Dazu gehören u. a. die Publikationen von Oppolzer[19], Mucke &Meeus[20], und Espenak[21].



Daten und deren Download

Wenn Sie die folgenden Daten herunterladen und verwenden wollen, bitte ich Sie, als Referenz den folgenden Artikel in der Zeitschrift Klio sowie die Adresse dieser Website anzugeben:
R. Gautschy, Sonnenfinsternisse und ihre chronologische Bedeutung: Ein neuer Sonnenfinsterniskanon für Altertumswissenschaftler, Klio 94, Heft 1, 2012, S. 7-17.

Die folgenden Tabelle enthält Listen für die Orte Athen, Rom, Babylon, Memphis, Theben, Alexandria und Knossos, in denen sich alle Sonnenfinsternisse finden lassen, und bei denen an diesem Ort die Sonne zu 50%, 60%, 70%, 80%, 90% bzw. 100% vom Mond bedeckt wurde. Diese Listen enthalten folgende Angaben:


Ort 50% Bedeckung 60% Bedeckung 70% Bedeckung 80% Bedeckung 90% Bedeckung 100% Bedeckung
Athen hier hier hier hier hier hier
Rom hier hier hier hier hier hier
Babylon hier hier hier hier hier hier
Memphis hier hier hier hier hier hier
Theben hier hier hier hier hier hier
Alexandria hier hier hier hier hier hier
Knossos hier hier hier hier hier hier


Sichtbarkeitsgebiet einer Sonnenfinsternis

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Diese Abbildung zeigt das Sichtbarkeitsgebiet der ringförmig-totalen Sonnenfinsternis vom 12. Mai 361 v. Chr., die bei Plutarch, Vita Dionis XIX.4, schriftlich überliefert ist. Beim grün beschrifteten Punkt P1 trifft der Mondschatten erstmals auf die Erdoberfläche, d. h. die Sonnenfinsternis beginnt. Die zwei roten Punkte PN1 und PS1 geben den nördlichsten bzw. südlichsten Punkt an, an dem die Sonnenfinsternis gerade nicht mehr beobachtet werden kann. Für alle Punkte auf der blauen Kurve zwischen PN1, P1 und PS1 beginnt die Sonnenfinsternis genau bei Sonnenaufgang, d.h. die gesamte Finsternis kann beobachtet werden. Für alle Punkte auf der gelben Kurve zwischen PN1, C1 und PS1 findet die maximale Bedeckung der Sonne bei Sonnenaufgang statt, d.h. nur die zweite Hälfte der Finsternis kann beobachtet werden. Für alle Punkte auf der blauen Kurve zwischen PN1, P2 und PS1 endet die Sonnenfinsternis bei Sonnenaufgang, d.h. hier kann gerade kein Teil der Finsternis beobachtet werden. Ausgehend von der gelben Kurve PN1-C1-PS1 sind in rot die Lage der Totalitätszone der Sonnenfinsternis sowie in gelb bzw. in unterschiedlichen Grüntönen so genannte Isomagnituden eingezeichnet. Bei der Totalitäszone sind die nördliche Grenze, die Zentrallienie und die südliche Grenze angegeben. Die grünen Isomagnituden zeigen an, wo die Sonne zu 90%, 80%, 70%, 50% bzw. in gelb zu 0% verfinstert wird. Beim grün beschrifteten Punkt P4 verlässt der Mondschatten die Erdoberfläche wieder, d. h. die Sonnenfinsternis endet. Für alle Orte auf der blauen Kurve zwischen PN2, P4 und PS2 endet die Sonnenfinsternis genau bei Sonnenuntergang. Für alle Orte auf der gelben Linie PN2, C2 und PS2 findet die maximale Bedeckung der Sonne bei Sonnenuntergang statt, d.h. nur die erste Hälfte der Finsternis kann beobachtet werden. Für alle Orte auf der blauen Linie PN2, P3 und PS2 beginnt die Sonnenfinsternis bei Sonnenuntergang, d.h. hier kann kein Teil der Finsternis beobachtet werden.

Die Karten in diesem Sonnenfinsterniskanon beschränken sich auf den geographischen Bereich zwischen (20°N, 5°O), (20°N, 50°O), (50°N, 5°O) und (50°N, 50°O). Das bedeutet, dass nie das gesamte Sichtbarkeitsgebiet der Sonnenfinsternis wie in der obigen Abbildung dargestellt ist:

solec-0360

Die zwei roten durchgezogen Linien geben den Bereich der Totalitätszone der Sonnenfinsternis an, wenn man mit einem mittleren ΔT-Wert rechnet. Die grünen Isomagnitudenlinien, die angeben wo 90%, 80%, 70% bzw. 50% der Sonne bedeckt wurden, sind in den Karten im Normalfall jeweils mit dem mittleren ΔT-Wert berechnet. Das Gleiche gilt für die blauen Sonnenaufgangs- bzw. -untergangskurven und die gelbe Linie, welche das Maximum der Finsternis im Horizont angibt. Deswegen enden die zwei roten durchgezogenen Linien genau auf der gelben "Maximum im Horizont"-Linie, während die roten strichlierten bzw. roten punkt-strichlierten Linien etwas vor bzw. hinter der gelben Linie enden. Wird bei einer Sonnenfinsternis im definierten geographischen Bereich die Grenzmagnitude von 0.5 nicht überschritten wenn man mit dem mittlere ΔT-Wert rechnet, ist dies aber der Fall beim unteren bzw. oberen ΔT-Wert, dann sind die genannten Kurven strichliert bzw. punkt-strichliert gezeichnet. Die beiden roten strichlierten Linien zeigen die Lage der Totalitätszone dieser Sonnenfinsternis, wenn man mit einem unteren ΔT-Wert rechnet, die roten punkt-strichlierten Linien, wenn man mit einem oberen ΔT-Wert rechnet. Die Abweichungen der strichlierten bzw. punkt-strichlierten Linien von der durchgezogenen Linie geben somit die Unsicherheit der Berechnungen an, die durch die Unsicherheit des Zeitunterschieds ΔT bedingt sind. Für das Beispiel hier bedeutet das, dass man sagen kann, dass die Totalitäszone sicher über Sizilien und Kreta verlief, ob aber in Sparta (Nr. 6) die Sonne zu 100% oder nur zu ca. 96% bedeckt worden ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die schwarze Linie gibt die Zentrallinie der Sonnenfinsternis an, gerechnet mit einem mittleren ΔT-Wert. Schwarze Häkchen auf der Zentrallinie geben im Abstand von je einer Viertelstunde die Lokalzeit an (im vorliegenden Beispiel 16.5, d.h. 16:30 Uhr), diese Zeiten stimmen ausschliesslich für die Zentrallinie und sie sollen als grobe zeitliche Orientierung dienen.

solec-2120

Handelt es sich bei der Sonnenfinsternis um eine partielle Finsternis, so sind die Isomagnitudenlinien, die angeben wo 90%, 80%, 70% bzw. 50% der Sonne bedeckt wurden, in den Karten in unterschiedlichen Lilatönen angegeben.

Für jede Sonnenfinsternis sind zahlreiche, während dieser Periode wichtige Orte als kleine blaue Kreise eingezeichnet, deren Namen und Koordinaten sich im Ortsregister finden lassen. Zehn in der entsprechenden Periode wichtige Orte sind jeweils rot eingezeichnet, mit Nummern versehen, und die Namen der entsprechenden Städte sind rechts ausserhalb der Karte angegeben.

Für diejenigen Sonnenfinsternisse, die schriftlich überliefert sind, sind weitere Detailkarten für die Gebiete Italien, Griechenland und Kleinasien, Ägypten und Voderasien verfügbar. Die folgenden Abbildung zeigt je ein Beispiel für die entsprechenden Regionen:

greece italy

egypt asia

Die feine Unterteilung des Gebiets in 1°-Schritten soll es ermöglichen, auf einfache Weise die Lage eines Ortes zu eruieren, der nicht im Ortsregister eingetragen ist. Die mit Nummern versehenen Orte variieren je nach Periode und ihre Namen können im Ortsregister nachgeschlagen werden.

Wegen der Grösse der Dateien ist der Kanon in der folgenden Tabelle nach Jahrhunderten unterteilt. Der Link in der ersten Spalte führt zu allen im ausgewählten Gebiet auffälligen Sonnenfinsternissen im entsprechenden Jahrhundert; in der letzten Spalte können .zip-files heruntergeladen werden, welche die berechneten Daten enthalten. Die letzte Zeile in der Tabelle verweist auf die Liste jener Sonnenfinsternisse, die schriftlich belegt sind, die aber im ausgewählten Gebiet die vorgegebene Grenzmagnitude von 0.5 nicht erreicht haben.


Jahrhundert # totaler Finsternisse # ringförmiger Finsternisse # hybrider Finsternisse # partieller Finsternisse Gesamtzahl berechnete Daten
-2500 to -2400 23 33 0 2 58 f-2500.zip
-2400 to -2300 21 29 0 3 53 f-2400.zip
-2300 to -2200 24 23 5 6 58 f-2300.zip
-2200 to -2100 17 22 2 12 53 f-2200.zip
-2100 to -2000 20 17 5 11 53 f-2100.zip
-2000 to -1900 22 18 11 6 57 f-2000.zip
-1900 to -1800 15 29 4 3 51 f-1900.zip
-1800 to -1700 25 18 6 2 51 f-1800.zip
-1700 to -1600 21 16 8 4 49 f-1700.zip
-1600 to -1500 17 22 6 5 50 f-1600.zip
-1500 to -1400 19 18 4 3 44 f-1500.zip
-1400 to -1300 23 20 3 5 51 f-1400.zip
-1300 to -1200 17 22 1 3 43 f-1300.zip
-1200 to -1100 15 23 2 2 42 f-1200.zip
-1100 to -1000 20 22 0 3 45 f-1100.zip
-1000 to -900 19 21 0 6 46 f-1000.zip
-900 to -800 16 21 1 7 45 f-900.zip
-800 to -700 15 22 2 2 41 f-800.zip
-700 to -600 18 22 0 1 41 f-700.zip
-600 to -500 19 20 2 2 43 f-600.zip
-500 to -400 18 14 7 3 42 f-500.zip
-400 to -300 11 17 4 10 42 f-400.zip
-300 to -200 18 17 5 7 47 f-300.zip
-200 to -100 18 17 4 2 41 f-200.zip
-100 to 0 17 22 6 2 47 f-100.zip
0 to +100 16 21 6 2 45 f+0.zip
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Anmerkungen



snflogo

Diese Arbeit wurde vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen eines Marie Heim-Vögtlin Stipendiums finanziert.

Ich möchte mich bei Alfred Gautschy, Bill Gray, Peter J. Huber, Kurt Locher, Salvo de Meis und Robert Nufer bedanken, die in verschiedenen Phasen der Entstehung dieses Kanons mit Anregungen, Kommentaren und Korrekturen einen wichtigen Beitrag geliefert haben.


Erstellt von Rita Gautschy, Version 2.0, Januar 2012